Jedes Jahr am 22. Dezember steht ganz Spanien still. Die spanische Weihnachtslotterie „El Gordo“ dominiert an diesem Tag Nachrichten, Radiosendungen und soziale Medien. Fast schon ritualisiert versammeln sich Millionen Menschen vor Bildschirmen, um der Ziehung beizuwohnen – begleitet vom feierlichen Gesang der Gewinnzahlen durch Schulkinder des Internats San Ildefonso. Was auf den ersten Blick wie eine überdimensionale Fernsehshow wirkt, ist in Wahrheit ein komplexes Lottosystem mit langer Tradition, das weit über Spanien hinaus Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Was genau ist El Gordo?
El Gordo – zu Deutsch „der Dicke“ – ist keine Lotterie im herkömmlichen Sinn. Genau genommen handelt es sich um eine Sonderziehung der spanischen Staatslotterie, die es bereits seit 1812 gibt. Der Name bezieht sich dabei nicht auf ein einzelnes Los, sondern auf den Hauptgewinn. Jedes Jahr wird ein Gesamtpreisvolumen von rund 2,4 Milliarden Euro ausgeschüttet, aufgeteilt auf hunderttausende Gewinne.
Die Ziehung ist ein nationales Ereignis, bei dem nicht nur auf den Jackpot geschielt wird. Denn das System ist darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen zu Gewinnern zu machen – sei es mit kleinen Beträgen oder mittleren Summen. Das trägt nicht nur zur Beliebtheit bei, sondern auch zur weit verbreiteten Teilnahme in allen sozialen Schichten.
Warum ist El Gordo so groß?
Die Summe von 2,4 Milliarden Euro klingt zunächst nach einem Marketingeffekt – tatsächlich basiert das Volumen auf einem besonders ausgeklügelten System. Im Gegensatz zu klassischen Lotterien mit wenigen Gewinnstufen wird bei El Gordo ein großer Teil der Einnahmen ausgeschüttet. Rund 70 Prozent des Spieleinsatzes fließen zurück in die Gewinne.
Hinzu kommt die Struktur der Lose: Ein komplettes Los kostet stolze 200 Euro, wird aber meist in Zehntelstücke – sogenannte Décimos – verkauft. Dadurch sinkt die Einstiegshürde, und viele Menschen teilen sich ein ganzes Los mit Freunden, Familie oder Arbeitskollegen. Diese soziale Komponente sorgt dafür, dass ganze Dörfer oder Stadtteile gemeinsam jubeln, wenn „ihr“ Los gezogen wird.
Die schiere Anzahl an Gewinnmöglichkeiten ist ein weiterer Grund für die Dimensionen: Über 15.000 Gewinne werden jährlich ausgeschüttet. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, zumindest einen kleinen Betrag zurückzubekommen – ein wichtiger Unterschied zu anderen Lotterien, bei denen oft nur wenige Großgewinne im Fokus stehen.
Was macht El Gordo anders?
Neben der hohen Gewinnausschüttung unterscheidet sich El Gordo auch organisatorisch deutlich von herkömmlichen Lotterien. Die Lose sind nicht zufällig, sondern werden in Serien produziert. Jedes Los existiert in mehreren Serien – das bedeutet, dass dieselbe Gewinnnummer in verschiedenen Regionen verkauft werden kann. Deshalb ist es möglich, dass der Hauptgewinn mehrfach vergeben wird. Auch wenn dadurch der Einzelgewinn pro Décimo „nur“ 400.000 Euro beträgt, ist das für viele immer noch ein lohnenswerter Betrag.
Ein weiteres Merkmal ist die öffentliche Ziehung selbst. Diese dauert mehrere Stunden und wird landesweit live übertragen. Dass die Zahlen von Kindern vorgesungen werden, hat eine lange Tradition – ursprünglich galt dies als Zeichen von Transparenz und Fairness. Heute trägt es vor allem zur emotionalen Wirkung des Events bei, das längst Teil der spanischen Kultur geworden ist.
Warum interessiert das auch Menschen außerhalb Spaniens?
Die mediale Präsenz rund um El Gordo macht auch im deutschsprachigen Raum nicht halt. Viele Österreicher verfolgen die Ziehung jährlich – teils aus Neugier, teils aus echtem Interesse. Wer neugierig geworden ist, findet online alle Informationen und hat die Möglichkeit, El Gordo in Österreich online mitzuspielen – etwa, um sich selbst ein Bild zu machen, ob die berühmte Ziehung mehr ist als nur ein Hype.
Hinzu kommt der Wunsch nach gemeinschaftlichem Erleben. Gerade in der Vorweihnachtszeit hat El Gordo eine besondere emotionale Strahlkraft. Der Gedanke, mit anderen zusammen zu gewinnen oder wenigstens gemeinsam mitzufiebern, wirkt für viele attraktiver als die anonyme Teilnahme an einem x-beliebigen Glücksspiel. So erklärt sich auch, warum immer wieder Tippgemeinschaften gegründet werden – im privaten Kreis oder auch über spezielle Plattformen, die sich auf Lotterieteilnahmen spezialisiert haben.
Was gilt es zu bedenken?
Auch wenn El Gordo vor allem als stimmungsvolles Gemeinschaftserlebnis wahrgenommen wird, gibt es einen wichtigen Aspekt, der nicht unterschätzt werden sollte. Das eigene Budget. Ein Décimo ist zwar deutlich günstiger als ein ganzes Los, aber dennoch kein symbolischer Einsatz. Wer mehrere Anteile erwirbt oder sich an Tippgemeinschaften beteiligt, sollte überlegen, welcher Betrag sich ohne Druck oder Erwartungen an einen Gewinn einsetzen lässt. El Gordo lebt von der Idee des gemeinsamen Mitfieberns.
Zwischen Tradition und nüchternem Blick
El Gordo verbindet ein historisch gewachsenes Ritual mit einer beeindruckenden organisatorischen Dimension. Der besondere Reiz liegt weniger im klassischen „Jackpotdenken“ als in der Kombination aus gemeinschaftlicher Teilnahme, hoher Gewinnausschüttung und dem atmosphärischen Charakter der Ziehung. Viele Menschen außerhalb Spaniens lassen sich deshalb gerne von der Mischung aus Tradition, Emotion und Statistik anstecken – nicht, weil ein großer Gewinn garantiert wäre, sondern weil die Ziehung selbst als kulturelles Ereignis funktioniert.